Graz, am 26. April 1993
Österreichs Architektur geniesst grosses Ansehen
in Europa, aber auch in den Vereinigten Staaten, Japan, Australien und viele andere
Überseestaaten zeigen sich bestens informiert und schätzen die Leistungen
österreichischer Architekten. Eine nicht zu übersehende Anzahl von Beiträgen
und Artikeln in den führenden internationalen Architekturzeitschriften und
-jounalen belegen diese Aussage. Auch grosse Ausstellungen österreichischer
Architekten, unter anderem in Paris (Hollein, Coop Himmelb(l)au), London (unter
anderem Domenig) und vielen anderen Städten, beeindrucken die Besucher.
Österreichische
Architekten werden bereits seit vielen Jahren immer wieder an ausländische
Universitäten berufen (eine willkürliche Auswahl: Kurrent, Uhl, Gsteu,
Kowalski, Huth und viele andere), unzählige Vortragsreisen unserer engagierten
Positionen rund um den Globus, vor allem auf Universitäten, erlauben es dem
architektonischen Nachwuchs und Zuhörern vieler Länder, sich ein positiv
lebendiges Bild vom österreichischen Architekturgeschehen - und damit von
Österreich - der Gegenwart zu machen.
Welchen Beitrag leistet der Bauherr
"öffentliche Hand", ob Republik Österreich, die neun Bundesländer
bzw die zahlreichen grösseren Städte zu dieser Entwicklung, zu dieser
Situation? Oder jene "halböffentlichen Bauherren", wie Post, ÖBB
usw.?
Bauherren, die unter anderem für die Errichtung der Postsparkasse
von Otto Wagner - um nur ein Beispiel zu nennen - sowie zahlreichen anderen hervorragenden
Bauten der Architekturgeschichte Österreichs verantwortlich waren?
Die entsprechende Bilanz für die Gegenwart ist dürftig, um nicht zu sagen, beschämend. Heute sind es zumeist gerade Bauten der oben angeführten "Bauherren", die von einer fast unerträglichen Ignoranz gegenüber den kreativen und engagierten Positionen unseres Landes sprechen. Bauten, die - mit einigen wenigen Ausnahmen - von der Dominanz administrativer Kriterien und kurzfristig gültiger Sachzwänge ein dumpfes Zeugnis ablegen.
Seit einiger Zeit werden im steigenden Ausmaß, sowohl von privaten als auch von öffentlichen Stellen, Architekturpreise mit verschiedensten qualitativen Zielsetzungen ausgeschrieben. So unter anderem auch der "Förderpreis für experimentelle Architektur" vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst. Zu seinen Zielsetzungen zählt unter anderem, "jene künstlerischen und kulturell ungesicherten Positionen aufzuspüren, die nicht nur an sich hohe künstlerische Anforderungen stellen, sondern auch seismographische, prognostizierende Elemente in sich bergen" (Ausschreibungstext).
Es scheint jedoch so zu sein, dass die durchwegs hochqualifizierten Preisträger dieser Ausschreibungen für die verantwortlichen administrativen und politischen Positionen in Bund, Länder und Städten eher wie rote Tücher wirken - denn nur sehr selten sind positive Konsequenzen (Einladungen zu Wettbewerben oder Gutachterverfahren, Beauftragungen oder ähnliches) für die Ausgezeichneten die Folge.
Die "Plattform für eine zeitgenössische Architektur"
- "ExTend" versteht sich als Instrument und "pressure - group"
zur Durchsetzung von Qualität in der Architektur. Dies bedingt unter anderem
auch, dass (junge) qualifizierte Architekten/Innen - und unter ihnen auch die
durch Preise ausdrücklich ausgezeichneten - mit konkreten Bauaufträgen
der "öffentlichen" und "halböffentlichen Hand" betraut
werden - denn die Diskussion über Architektur ist nur über das Bauen
möglich.
Wir dürfen daher an Sie appellieren, angesichts der kulturellen
Bedeutung und dem hohen Stellenwert der österreichischen Gegenwartsarchitektur,
unseren Zielsetzungen beizutreten und in Ihrem, doch sehr massgeblichen Einfluss-
und Kompetenzbereich wirksame Massnahmen zu ihrer Realisierung zu veranlassen.
Statements:
extend
- plattform für zeitgenössische architektur: unsere zeit braucht unsere
architektur. die form ist politisch. jedes projekt ist ein realistisches. überall
sein, aber nicht gesehen werden. standardcodes. methoden. medien. architektur
ist jetzt. die neugier ist ein unverzichtbares moment für die architektur.
global denken, regional handeln. vielfalt in der einheit - unser zukünftiger
lebensraum. wd.dreibholz.
es ist hier am platze,
den modern schaffenden architekten ein kräftiges, ermunterndes "vorwärts"
zuzurufen und vor allzugrosser und inniger anbetung des alten zu warnen, damit
ein, wenn auch bescheidenes, selbstbewusstsein wieder ihr eigen werde, ohne welches
eine grosse tat überhaupt nicht entstehen kann. o. wagner.
die kultur der einzelform nähert sich ihrem ende; die kultur bewusster beziehungen
hat begonnen. mondrian.
die form ist politisch, ziel
ist die anbindung der ästhetischen gestalt an den sozialen gehalt der architektur.
in der zeit, in der utopien dem formalen vorbehalten scheinen, sich die frage
nach der polarität zwischen individualität und kollektiv stellt, muss
eine neue konzeption, die durchsetzung der "konkreten utopie" eingeübt
werden. es gilt, das unwägbare, unvorhergesehene, unvorhersehbare, als wesentlichen
teil des urbanen prozesses zu akzeptieren, die "regeln der unregelmässigkeit"
zu definieren. r. lainer.
gottfried benn stellt
ernüchternd fest: das abendland gehe nicht zugrunde an seiner geistigen armut,
sondern an "dem hündischen kriechen seiner intelligenz vor den politischen
zweckmässigkeiten". raum hat gewalt und bestimmt verhaltensweisen. architekten
müssen aufhören nur in bauwerken zu denken. architektur ist ein medium
der kommunikation. eok.
oft wird über eine
alte gebäudekonzeption oder über das fehlen einer kompositionellen idee
mit einer modischen aufmachung aus glas und beton hinweggetäuscht. um vorwärts
zu kommen und um dieses uniforme chaos zu überwinden, müssen neue möglichkeiten
des bauens erschlossen werden. wenn der trostlose anblick unserer städte
und die darin auftretenden schwierigkeiten, das resultat einer inadäquaten
analysemethode der zusammenhänge einer stadt sind, so sind die hilflosen
versuche avantgardistischer ansätze phantastisch und irrational, wie die
vertikale stadt oder der glaube, eine gewagte anordnung von klötzen würde
buntheit und lebensqualität bedeuten. zwischen utopischen sciencefiction
- artigen vorstellungen und der routine des identen entsteht somit ein leeres
unbebautes feld. driendl*steixner.
das endziel aller
bildnerischen tätigkeit ist der bau. w. gropius.
architektur kommt duch die konstruktion ins leben. eine architektur ohne schuld
zu produzieren. überall sein aber nicht gesehen werden.wir lehnen jede architektur
ab, die von denjenigen gemacht wird, die es nicht wagen zu denken. zu denken wagen
bedeutet: eine unabhängigkeitserklärung, freiheiten entwickeln, die
unantastbare phantasie überschreiten. blazica - spinadel.
architektur im angesicht der hoffnung. die kolonialisierung der zukunft geschieht
durch das heute. funktion schliesst das visionäre nicht aus. was nach oben
geht, muss man auch als nach unten gehend wissen. gegensätze stärken
das jeweilige andere. global visual pollution. fortschritt ist die realisierung
von utopien. oscar wilde.
wer keinen mut hat zum
träumen, hat keine kraft zum kämpfen. m. gutl.
es gibt kein vergangenes, das man zurücksehnen dürfte, es gibt nur ein
ewig neues, das sich aus den erweiterten elementen des vergangenen gestaltet;
und die echte sehnsucht muss stets produktiv sein, ein neues besseres erschaffen.
goethe.
aufgabe der kunst, also auch der modernen,
ist aber dieselbe geblieben, welche sie zu allen zeiten war: die kunst unserer
zeit muss uns moderne, von uns geschaffene formen bieten, die unserem können,
unserem tun und lassen entsprechen. o. wagner.
jedes
projekt ist ein realistisches. extend. über wirkungen und mögliche unerwünschte
nebenwirkungen informieren sie architekt und politiker. k.
fischer.