zur aktuellen Studie zum Thema Wohnzufriedenheit in
Wien, Bewohnerbefragungen im Auftrag der MA 18, Geschäftsgruppe Planung und
Zukunft, präsentiert durch Vizebürgermeister Dr. Bernhard Görg
Nach
dem Ersten Weltkrieg erklärte Wiens erster Wohnbaustadtrat, daß angesichts
der Zinskasernen künftig nur mehr Einfamilienreihenhäuser errichtet
werden dürften. Adolf Loos und Josef Frank waren die Protagonisten jener
Zeit, in der versucht wurde, die beginnende Demokratisierung der Gesellschaft
auch im Wohnbau umzusetzen.
In ganz Mitteleuropa entstanden ab Mitte der zwanziger
Jahre im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk Wohnsiedlungen, die
als Demonstrativbauvorhaben eine neue Ära im kommunalen Wohnbau einleiten
sollten.
Die Weissenhofsiedlung in Stuttgart, 1927 erbaut, und die Wiener
Werkbundsiedlung aus dem Jahr 1932 sind herausragende Beispiele für diese
Gesinnung.
Nach dem zweiten Weltkrieg setzte Roland Rainer
mit seinen Schriften diese Bemühungen fort : "Die Behausungsfrage",
1947, "Ebenerdige Wohnhäuser", 1948 und "Die gegliederte und
aufgelockerte Stadt", gemeinsam mit Göderitz und Hoffmann 1957 verfasst,
sind Grundlagen für die in den sechziger Jahren neuerlich aufkommende, europaweite
Suche nach zukunftsorientierten Alternativen zum status quo im Städtebau.
Neue urbane Wohnformen wurden als Antwort zum Blockrand und zur Zeile entwickelt:
Gartenhofhäuser, Teppichsiedlungen und - im Gefolge
des Rufs nach "höherer Dichte"- Terrassenhäuser
in den verschiedensten Ausformungen.
In Österreich fielen diese Ideen
auf wenig fruchtbaren Boden: Nur Roland Rainer und Harry Glück konnten ihre
Konzepte in größerem Umfang realisieren.
Seit Ende
der neunziger Jahre kündigt sich eine neuerliche Debatte an.
Der Zusammenhang
von Wählerverhalten und Wohnzufriedenheit
wurde (wieder)entdeckt: Eine ständig wirksame Komponente der Lebenszufriedenheit
ist die Wohnsituation.
Defizite führen zur
Flucht ins Umland und zu den Protestparteien.
Wohl in Kenntnis
dieser Tatsachen fasste der damalige Bundeskanzler Viktor Klima 1998 in seinem
Aufsatz "Humanes Wohnen als erklärtes Ziel"
jene Forderungen zusammen, die bereits seit den zwanziger Jahren immer wieder
erhoben werden:
wohnungseigene Freiräume, Gärten, Nähe zu Erholungsgebieten,
Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten, Förderung von Gemeinschaftseinrichtungen,
autofreie Wohnbereiche, ökologische Bauweisen, landschaftsschonende Siedlungsformen,
Kinderfreundlichkeit...;
Die nun präsentierte
Studie, durchgeführt im Zeitraum September bis Dezember 1999, in Form von
Bewohnerbefragungen, ergab, daß genau diese Kriterien wesentliche Parameter
für die Wohnzufriedenheit sind.
Untersucht wurden acht Wohnhausanlagen
sowie vier Reihenhaus- bzw. Flachbausiedlungen.
Die Ergebnisse zeigen: hohe
Wohnzufriedenheit ist ein Minderheitenprogramm.
In den Siedlungen
wohnen zwar drei von vier Bewohnern sehr gerne in ihrer Wohnung. In keinem der
sonst nachgefragten Kriterien äußern mehr als die Hälfte der Befragten
hohe Zufriedenheit.
In beiden Kategorien ist die Zufriedenheit bezüglich
Gemeinschaftseinrichtungen äußerst gering: Zeigen sich bei den Wohnhausanlagen
noch durchschnittlich 19% sehr zufrieden, sind es beim "durchgrünten
Wohnen" nur mehr 8%. Ebenso gering ist bei letzterem die hohe Zufriedenheit
mit den Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf.
Unter
den zwölf untersuchten Anlagen befinden sich vier von Harry Glück. Die
Akzeptanz seiner Terrassenanlagen, mit Schwimmbädern auf den Dächern,
Hallenbädern und einer großen Anzahl individuell benützbarer Gemeinschaftseinrichtungen,
ist ausserordentlich hoch.
Dieses Ergebnis ist bemerkenswert, bestätigt
es doch die Zeithältigkeit dieser in den sechziger Jahren europaweit entwickelten
Bebauungsformen.
Am Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts
kündigt sich ein neuerlicher Schub in Richtung Demokratisierung und Ökologisierung
des Städtebaus an.
Der Erforschung und Entwicklung von zukunftsorientierten,
Neuen Urbanen Wohnformen wird höchste Priorität zukommen. Vizebürgermeister
Dr. Bernhard Görg erklärte anlässlich der Präsentation der
Studie, Maßnahmen zur Förderung von Forschung und Entwicklung auf diesen
Gebieten setzen zu wollen. Ein Paradigmenwechsel scheint sich auch bezüglich
der Bauweisen zu vollziehen, wenn Sie, Herr Wohnbaustadtrat erklären, der
neue Wiener Wohnbau solle aus leichten, lichtdurchfluteten Wohnungen aus Stahl
und Glas bestehen.
Die Neudefinierung der Ziele der Wohnbauförderung,
etwa durch den Finanzminister - der ja die Verteilung und Zweckbindung der Fördermittel
zu vertreten hat - wird die Rahmenbedingungen für dieses Projekt schaffen.
Dann kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen.
2000